Wo finden wir die Orte, die sich am besten für die Mitgliederversammlung eines deutsch-polnischen Vereins eignen? Diese Frage stellte sich uns schon bei unserem letzten Treffen und die Antwort führte uns 2022 in die beiderseits des Grenzflusses Oder gelegenen Städte Gubin/Guben. In diesem Jahr suchten wir Frankfurt (Oder)/Słubice als Versammlungsorte aus. Wir wollten allen Mitgliedern vermitteln, wie ein deutsch-polnisches, ein polnisch-deutsches Zusammenleben im Grenzraum funktionieren kann.
Und es funktionierte! Wie schon im letzten Jahr, so zogen auch diesmal Ort,
Programm und Referenten sehr viele unserer Mitglieder an die Oder, wo sie ein interessantes Rahmenprogramm erwartete.
Es begann allerdings schon am Freitag in Berlin, wo wir auf Einladung des MdB Knut Abraham eine Plenardebatte im Bundestag verfolgen konnten. Zuvor erzählte
er uns Interessantes aus dem parlamentarischen Alltagsbetrieb, über den Umgang zwischen den Fraktionen und die politischen Abläufe. Gerade auch unseren polnischen Mitgliedern gewährte dieser Besuch einen anschaulichen Einblick in die deutsche parlamentarische Praxis.
Nach unserem Abendessen in Frankfurt erläuterte Dr. Mark Keck-Szajbel vom Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien der Viadrina zunächst, mit welchen Problemen der Grenzraum zu kämpfen hat. Die Abwanderung hat die Einwohnerzahl Frankfurts fast auf die Hälfte schrumpfen lassen, Jobmöglichkeiten gibt es eigentlich nur in den Bereichen Verwaltung und Universität, und verstärkend dazu wirkt die nahe Großstadt Berlin wie ein Magnet, der viel, vor allem auch studentisches, Leben aus Frankfurt herauszieht. Aber er teilte mit uns seine Hoffnung, dass neue Impulse für die Region kommen würden. Die Zweisprachigkeit im Grenzraum nimmt zu und das Interesse der Jugendlichen am Nachbarland wächst. Wie zum Beweis brachte er seinen 14-jährigen Sohn mit, der mühelos in beiden Sprachen kommunizieren konnte und als Dolmetscher sehr hilfreich war.
Wir hatten sehr viel Glück, dass wir einen hervorragenden Kenner der Stadt
Frankfurt, nämlich Christoph Neubauer, für die Stadtführungen am Samstagvormittag gewinnen konnten. Er schilderte die historische Entwicklung der Stadt, lenkte unsere Aufmerksamkeit auf architektonische Besonderheiten und verdeutlichte anhand von historischem Fotomaterial die zahlreichen Veränderungen im Stadtbild. Mit Erschütterung nahmen wir die katastrophalen Geschehnisse um das Ende des 2. Weltkrieges zur Kenntnis, die sowohl deutsche als auch inzwischen hierher vertriebene polnische Bewohner erleiden mussten. Und sofort kamen uns die Bilder aus den zerstörten ukrainischen Städten in den Sinn…
Durch den mal nieselnden, mal strömenden Regen wanderten wir also durch die Geschichte Frankfurts hin zur Gegenwart unserer sich anschließenden Mitgliederversammlung im Hotel „Zur alten Oder“. Zuvor stand allerdings noch eine erfreuliche Aktion an: Wir konnten wieder ein neues Mitglied in unseren Reihen begrüßen. Adam Romanowski aus Poznań erhielt, wie es unsere Tradition verlangt, eine Urkunde und eine Flasche Bier „Potsdamer Stange“.
Der vorgetragene Rechenschaftsbericht listete die vielen Aktivitäten auf, die
wir im letzten Jahr unternahmen. Dazu zählen Treffen in Beelitz, Wilhelmshaven, eine Kajaktour in der Nähe von Świebodzin, eine Veranstaltung in Gościeradz, der Sternenmarkt und die Aktivitäten rund um den Podcast „Mit Polen auf Du und Du“. Der Bericht verweist aber auch auf die zur Zeit ausgesetzten, sonst über Jahre stattfindenden deutsch-polnischen Gespräche in Potsdam. Die Corona-Zeit hat leider auch hier ihre Spuren
hinterlassen, ließ Initiative verkümmern, sodass zu wenige Gäste kamen. Bedauerlich ist auch das Ausscheiden von Jarosław Górski aus dem Vorstand. Aus gesundheitlichen Gründen musste Jarek, der von Anfang an begeistert und inspirierend dabei war, sich von der Vorstandsarbeit zurückziehen. Einstimmig wurden der bisherige geschäftsführende Vorstand und zwei Beisitzer wieder- und ein Beisitzer neugewählt. Der Vorstand setzt sich nunmehr aus dem Vorsitzenden, Christian Schmidt (Potsdam), dem stv. Vorsitzenden, Matthias Horn (Potsdam), der Schatzmeisterin Renate Rode (Berlin), den Beisitzenden Wilmar Thiemann (Werder / Havel), Zbginiew Barbaś (Poznań) und Józef Duks (Poznań) zusammen.
Die Gründungsmitglieder der GdpN-Sąsiedzi erfüllt es durchaus mit Stolz und
Zufriedenheit zu sehen, wie sich der Verein entwickelt hat. Insbesondere die große Zahl der Mitglieder aus Polen zeigt deutlich, dass der Gedanke zur Gründungszeit, einen Verein zu entwickeln, der nicht territorial auf das Gebiet Deutschlands oder eines Bundeslandes beschränkt ist, Früchte trägt. Das macht unseren Verein auch zu etwas Besonderem. Denn Nachbarn – Sąsiedzi treffen sich, unterhalten sich und erleben Gemeinsames.
Am Abend nach den Wahlen, und das war ja klar für einen deutsch-polnischen Verein, gingen wir über die Oderbrücke nach Słubice ins dortige Restaurant „Anka“, um dort zu Abend zu essen. Es war ganz ausgezeichnet. Wir waren eine fröhliche, entspannte Gruppe, die viel Spaß hatte und polnisch-deutsche Gemeinsamkeit lebte und nach außen zeigte.
Vor der Abfahrt am Sonntag ging – wiederum bei Kälte, Wind und Regen – ein Teil der Mitglieder zum 2. Teil des Stadtrundgangs. Dieser Teil führte nun durch Słubice. Auch hier zeigten sich alle Teilnehmer beeindruckt vom fundierten Wissen von Christoph Neubauer.
So ging also ein tolles Wochenende zu Ende, dass sicher allen in angenehmer Erinnerung bleiben wird.
Christian Schmidt/Renate Rode